Einstimmig verabschiedete der Rat den fraktionsübergreifenden Antrag, „Stolpersteine“ in der Gemeinde Rastede zu verlegen. Zunächst soll den NS-Opfern der Familie Hattendorf gedacht werden.
Von Britta Lübbers
Die Zustimmung war einhellig: 80 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft werden auch in Rastede so genannte „Stolpersteine“ verlegt. Dafür sprach sich der Gemeinderat auf seiner Sitzung im Hof von Oldenburg aus.
Bei den golden schimmernden Steinen handelt es sich um kleine Bodenplatten, die auf Bürgersteigen in das Pflaster eingelassen werden. Sie enthalten biografische Angaben zu jenen Menschen, die an der jeweiligen Adresse wohnten, bevor sie von den Nationalsozialisten in ein Konzentrationslager deportiert und dort zumeist ermordet wurden. Das Projekt wurde 1996 durch den Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen.
In Rastede sollen die ersten Stolpersteine zur Erinnerung an die jüdische Familie Hattendorf verlegt werden, die bis 1938 an der Schloßstraße lebte. Karl und Klara Hattendorf wurden 1942 im KZ Theresienstadt ermordet, ihre Tochter Selma überlebte die NS-Zeit.
Größtes dezentrales Mahnmal
„Nur wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, ist blind für die Gegenwart“, sagte Dieter Ahlers (CDU) in der Aussprache. „Es sind zurzeit viele Blinde unterwegs, daher sind die Stolpersteine richtig und gut.“ Ahlers nannte beispielhaft Opfergruppen, die von den Nazis verfolgt wurden: Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter „und Menschen, die geschlechtlich anders orientiert waren“. Erst nach und nach sei das ihnen zugefügte Unrecht anerkannt worden. „Über die Verbrecher wurde viel berichtet, über die Opfer wenig.“ Deshalb dürfe das Erinnern nicht nachlassen. Zugleich gab sich Ahlers skeptisch, was Demokratie und Friedenssicherung in der Gegenwart betrifft: „Nie wieder ist eine Illusion. Wir sind nicht weit weg von Butcha.“
Mehr als 100.000 Steine liegen in Deutschland und anderen europäischen Ländern, erklärte Malte Pauels (Grüne). „Jeder Stein erzählt eine Geschichte.“ Der Stolperstein vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Hattendorf werde nicht der letzte in Rastede sein, kündigte Pauels an. „Er wird andere Steine ins Rollen bringen und zeigen, was Bürger bewirken können.“ Rastede sei jetzt „Teil des größten dezentralen Mahnmals Europas. Darauf können wir stolz sein. Es ist aber auch eine Verpflichtung, wachsam zu bleiben.“
Es sei eine historische Pflicht, immer wieder an Deutschlands Schuld zu erinnern, sagte Carsten Helms (FDP). Durch die Stolpersteine erhielten in 1200 deutschen Gemeinden NS-Opfer ihre Namen zurück. Zugleich sei das Projekt eine Mahnung, sich gegen Antisemitismus einzusetzen.
Es sei gut, dass auch in Rastede als eine der frühesten Hochburgen der Nationalsozialisten nun Stolpersteine verlegt werden, erklärte Birgit Rowold (Grüne). Sie sprach sich dafür aus, das Thema künftig nicht mehr im Bau-, sondern im Kulturausschuss zu erörtern. „Denn es handelt sich nicht um eine Baumaßnahme, sondern um lebendige Erinnerungskultur.“
Mit der Verlegung der Stolpersteine werde deutlich gemacht: „Wir vergessen die Taten, die von Rasteder Bürgern ausgingen, nicht“, betonte Timo Merten (UWG/Merten) auch mit Verweis auf die Zwangsarbeiter, die in Rasteder Unternehmen schuften mussten.
Gespräche mit jüdischer Gemeinde
Der fraktionsübergreifende Antrag geht zurück auf einen Bürgerantrag, den die Rastederin Anja Szylowski eingebracht hatte. Die Verlegung von Stolpersteinen soll dazu dienen, die Erinnerung an die Schrecken des Nationalsozialismus in Rastede zu fördern und zivilgesellschaftliches Engagement zu unterstützen. Da es nicht immer möglich ist, das Einverständnis von Angehörigen der NS-Opfer einzuholen, haben die Antragsteller das Gespräch mit der jüdischen Gemeinde in Oldenburg gesucht, die die Verlegung der Stolpersteine in Rastede befürwortet.